„Unsere Tierheime sind doch voll“
Zugegeben, der Vorwurf ist hart. Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen, denen der Satz „Aber warum einen Hund aus dem Ausland holen, unsere Tierheime sind doch voll“ über die Lippen kommt, nicht wirklich rassistisch motiviert sind.
Und dennoch frage ich mich als Hundeexpertin und aktive Tierschützerin: Was meint man mit dieser Aussage wirklich? Wem möchte man damit helfen? Dem eigenen Staat, den Mitarbeiter*innen vor Ort – oder doch den Hunden?
Letzteren mal sicher nicht. Denn mein Einblick in unzählige heimische Tierheime, aber auch zigtausende Tiere, die ich in ausländischen Tierheimen besucht habe, sagt etwas anderes.
Die Realität der ausländischen Tierheime
Kennt ihr das Schloss aus dem Disneyland? In etwa so nehme ich unsere Tierheime in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Vergleich zu Tierheimen in Ungarn, Rumänien und Co. wahr.
Ich glaube, vielen Menschen ist gar nicht bewusst, unter welch einfachen Bedingungen die Hunde dort oft leben müssen. „Müssen“, weil es trotzdem noch eine Chance für sie ist – anstatt überfahren, gejagt oder dem Erfrieren überlassen zu werden.
Im Ausland unterscheidet man zwischen städtischen und privat geführten Tierheimen.
Städtische Tierheime
In ersteren ist es in vielen Ländern noch üblich, Hunde nach 2–3 Wochen zu töten, sofern sich niemand für sie interessiert. Ob dies durchgeführt wird, liegt meist an den Kommunen (also Bürgermeisterinnen) oder den Tierheimleiterinnen selbst.
Das ist schon der erste triftige Grund, warum es durchaus Sinn ergeben kann, Hunde aus dem Ausland zu retten.
Städtische Tierheime erhalten theoretisch Förderungen – das heißt, Mitarbeiter*innen werden bezahlt. Doch das bedeutet nicht, dass genug Geld da ist, um den Hunden ein gutes Leben zu ermöglichen. Wenn überhaupt, reicht es für Futter.
Die Realität:
Viel zu volle Zwinger, keine Liegestellen oder Rückzugsmöglichkeiten, teilweise keine Überdachung, Kälte im Winter, Hitze im Sommer. Ein furchtbares Bild. Und das betrifft nur die Shelter. Auf den Straßen liegen unzählige überfahrene Tiere – eine Anzahl, die wir hierzulande nicht mal bei Tauben kennen.
Privat geführte Tierheime
Diese haben zumindest immer echte Tierschützerinnen als Betreiberinnen, denen das Wohl der Tiere am Herzen liegt. Meist leben sie selbst am Existenzminimum und opfern sich mit ihrem Umfeld Tag für Tag auf.
Und dennoch reicht es nicht: Kein hochwertiges Futter, kaum funktionale Zwingeranlagen, keine nachhaltigen Strukturen, um das Tierleid langfristig zu beenden.
Mein persönlicher Wunsch
Ihr seht schon durch diese kurze Auflistung, wie eklatant die Unterschiede sind. Ich spreche mich keineswegs dagegen aus, in heimische Tierheime zu gehen. Ganz im Gegenteil: Es wäre fantastisch, wenn alle Menschen erkennen würden, wie toll Hunde aus Tierheimen sind – und sich automatisch dort ihren nächsten Hund holen, statt ihn zu kaufen.
Doch dieser Beitrag soll die Unterschiede zeigen. Und erklären, warum es kein Fehler ist, einen Hund aus dem Ausland zu adoptieren – mithilfe eines seriösen Vereins.
Auch unsere Tierheime sind voll und oft am Rande der Belastbarkeit. Auch hier wird tolle Arbeit geleistet – oft über die Belastungsgrenze hinaus und meist viel zu schlecht bezahlt.
Mein Wunsch:
Bevor man die Aussage „Unsere Tierheime sind doch auch voll“ trifft – bitte einmal einen Tag in einem ausländischen Shelter verbringen. Danach die Aussage noch einmal überdenken. Es braucht nur wenige Schritte in ein solches Tierheim, um zu sehen: Die Bedingungen im Ausland sind wesentlich schlechter – personell, finanziell, baulich, strukturell.
„Warum wird uns ein schlechtes Gewissen gemacht?“
Ein Punkt, der oft provoziert:
„Warum wird uns ein schlechtes Gewissen eingejagt, wenn die vor Ort nicht mal gewillt sind, ihre Gesetze und Bedingungen zu verändern?“
Ganz einfach: Weil es nicht um Menschen, sondern um Tiere geht.
Die Tiere wissen nicht, wo sie geboren wurden. Sie sind einfach da – bedingungslos und bedürftig. Und genau deshalb liegt es an uns, nicht wegzuschauen.
Die politische Lage vor Ort
Wir spüren das ja selbst im Kleinen. Wo Armut und Ungerechtigkeit herrschen, stehen Umwelt- und Tierschutz weit hinten auf der Prioritätenliste – bei der Bevölkerung genauso wie bei der Politik.
Ich verstehe oft auch die Menschen vor Ort, die kaum genug zum Leben haben. Sie können sich schlicht nicht auch noch um Tiere kümmern. Es ist ein politisches Problem – kompliziert, aber nicht unlösbar.
Was es braucht? Aufklärung.
Meine ganze Hoffnung liegt auf der nächsten Generation – auf Bildung und Bewusstsein.
Was wir tun können
Mit „einfach nicht wegschauen“ wäre es wohl am besten zusammengefasst.
Kein vorschnelles Urteil über Auslandstierschutz, ohne sich selbst ein Bild gemacht zu haben. Aufklärung statt Verurteilung. Bewusstsein schaffen für die Not der Tiere – egal ob im In- oder Ausland.
Was ihr konkret tun könnt:
- Engagiert euch bei Organisationen – vor Ort oder von zuhause aus
- Unterstützt mit Sach- oder Geldspenden
- Teilt zu vermittelnde Hunde in euren Social Media Kanälen
- Macht auf das Thema aufmerksam
Jede Hilfe zählt. Aber bitte, bitte schaut nicht weg. Danke.
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