Gesundheit & Ernährung

Hunde vegan füttern: Eine gute Alternative oder absolutes No-Go?

Hunde vegan füttern: Eine gute Alternative oder absolutes No-Go?

Die Verantwortung der Hundehalter – Was bedeutet artgerechte Ernährung?

Wer einen Hund hält, trägt Verantwortung – auch für dessen Ernährung. Diese soll natürlich artgerecht sein, doch was bedeutet „artgerecht“ in diesem Kontext wirklich? Viele Menschen setzen dies mit einem hohen Fleischanteil gleich und begründen das mit der Abstammungsgeschichte des Hundes. Doch ist diese Annahme heutzutage wissenschaftlich noch haltbar?

Dass Hunde und Menschen schon lange eine enge Beziehung pflegen, die bis heute ungebrochen ist, zeigen die aktuellen Zahlen: Inzwischen leben fast doppelt so viele Hunde in Deutschland als noch vor 20 Jahren. Allein im Jahr 2023 waren es rund 10,5 Millionen – das ist einer in jedem vierten bis fünften Haushalt.

Durch die stetig wachsende Anzahl an Hunden wird nicht nur zunehmend mehr Nahrung benötigt, sondern seit einigen Jahrzehnten auch immer mehr Fleisch. Aber brauchen Hunde es wirklich, oder geht es auch anders? Angesichts von Klimawandel, Massentierhaltung und Ressourcenknappheit ist es an der Zeit, die klassische Ernährung unserer Hunde zu hinterfragen und nach Alternativen zu suchen.

Der Hund stammt vom Wolf ab und braucht Fleisch – Ist das wirklich so?

Diese Annahme hält sich hartnäckig und führt dazu, dass es nach wie vor im Trend liegt, Hunden eine sehr fleischlastige Nahrung zu geben. Während die Anzahl der Menschen, die sich vegan ernähren, kontinuierlich steigt, scheint sich in der Hundeernährung eine gegenläufige Entwicklung zu halten.

Je höher der Fleischanteil in der Ration ist, desto vermeintlich hochwertiger soll das Futter sein. Noch immer wird die BARF-Fütterung als optimal angesehen, da sie der Ernährung des Wolfes am nächsten kommt.

Unter BARF versteht man „Biologisch artgerechtes rohes Futter“, bei dem rohes Fleisch, Innereien, Knochen, Obst und Gemüse gefüttert werden, um so ein Beutetier, das Wölfe in freier Wildbahn erlegen, bestmöglich nachzubilden. Der Anteil an tierischen Lebensmitteln ist mit bis zu 80 % sehr hoch, und oft wird auf Muskelfleisch gesetzt, das auch für den menschlichen Verzehr noch geeignet wäre.

Aber auch Fertigfutterhersteller werben mit hohen Fleischanteilen von über 70 % und suggerieren den Besitzer*innen, dass Fleisch ein Qualitätsmerkmal ist. Je mehr Fleisch, desto besser – und bitte bloß kein Getreide, unabhängig davon, welche Qualität das Fleisch überhaupt aufweist. Doch ist diese Annahme korrekt?

Der Hund ist kein Wolf mehr – oder etwa doch?

Um dieser Frage nachzugehen, bedarf es zunächst eines kurzen Blicks zurück in die Entwicklungsgeschichte des Hundes. Durch einen sehr komplexen und bisher noch wenig verstandenen Prozess wurden im Laufe der Zeit aus Wölfen Hunde.

Diverse Forschungsergebnisse lassen darauf schließen, dass die Entwicklung vom Wolf zum Hund in der Zeit der Jäger und Sammler begann. Die zahlreichen Rassen der heutigen Haushunde sind der Höhepunkt der Domestizierung.

Ein entscheidender Schritt in dieser Entwicklung war das Aufkommen der Landwirtschaft während der neolithischen Revolution. Die veränderten Ernährungsgewohnheiten der Menschen führten auch zu einer neuen Fütterungsweise ihrer Hunde: Diese bekamen zunehmend stärkehaltige Essensreste, die sich deutlich von der fleischlastigen Wolfsnahrung unterschieden.

Das hatte deutliche Auswirkungen auf ihre Verdauung: Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass sich bei der gesamten Hundepopulation weltweit die AMY2B-Kopiezahl gesteigert hat. Dieses Gen enthält die genetische Anleitung zur Produktion des Verdauungsenzyms Amylase, das für die Verwertung von Stärke aus Getreide notwendig ist.

Eine hohe Kopiezahl des AMY2B-Gens belegt daher die Fähigkeit von Hunden, Stärke gut zu verdauen – eine Eigenschaft, die Wölfe bis heute nicht in diesem Ausmaß besitzen.

Aber der Hund hat doch noch immer Fangzähne?

Obwohl sich die Fangzähne bei Hunden und Wölfen ähneln, legen Untersuchungen nahe, dass sie grundlegend unterschiedliche Funktionen bei der Nahrungsaufnahme haben. Während Wölfe spezialisierte Jäger sind, haben Hunde sich als anpassungsfähige Allesfresser etabliert.

Analysen der Ernährung von freilaufenden Hunden weltweit zeigen, dass diese sich oft von Getreide, menschlichen Abfällen und Aas ernähren.

Wie wurden Hunde noch vor einigen Jahrzehnten ernährt?

Früher war es völlig normal, Hunde zunehmend fleischarm und in Zeiten von Kriegen und Wirtschaftskrisen sogar fleischlos zu ernähren. Bis vor 60 Jahren war das Verfüttern von Tischabfällen an Hunde üblich. Erst durch geschickte Marketingmaßnahmen wurde die Vorstellung verbreitet, dass Hunde unbedingt Fleisch benötigen, um gesund zu bleiben.

Brauchen Hunde Fleisch – oder nur die darin enthaltenen Nährstoffe?

Zunächst gilt der gleiche Grundsatz für Hunde wie für uns Menschen: Der Körper benötigt bestimmte Nährstoffe und nicht bestimmte Lebensmittel.

Hunde können problemlos bedarfsdeckend vegan ernährt werden, wenn sie nach einem individuellen Rationsplan in Kombination mit einem geeigneten Ergänzungsmittel gefüttert werden.

Wann ist eine vegane Fütterung sinnvoll?

Eine vegane Fütterung ist nicht nur aus ethischer Sicht sinnvoll. Viele Hunde leiden an Allergien oder Unverträglichkeiten gegen tierische Proteine, und eine pflanzliche Ernährung kann oft Abhilfe schaffen.

Und was sagt die Wissenschaft?

Die vegane Hundeernährung ist eine relativ neue Fütterungsmethode, weshalb es noch wenige Langzeitstudien gibt. Erste Ergebnisse zeigen jedoch, dass eine gut geplante vegane Ernährung gesundheitliche Vorteile haben kann.

Fazit: Ist eine vegane Fütterung von Hunden möglich?

Ja!

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Hunde bei einer sorgfältig zusammengestellten veganen Ernährung alle essenziellen Nährstoffe in bedarfsgerechter Menge erhalten können. Entscheidend ist jedoch, dass die Ration nicht leichtfertig nach Gefühl zusammengestellt wird, sondern nach einem Rationsplan, der gewährleistet, dass der Hund mit allem versorgt wird, was er benötigt.


Quellen

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    DOI: 10.1016/j.rvsc.2022.06.002

Andrea Kleist ist vegane Ernährungsberaterin für Hunde und Menschen und befasst sich leidenschaftlich gerne mit allen Themen rund um die vegane (Hunde-)Ernährung. Ihr Angebot reicht vom Erstellen veganer Rationspläne für gesunde und kranke Hunde in allen Lebensstadien, über Onlinekurse und eBooks bis hin zur persönlichen, intensiven Begleitung bei der Rationsumstellung und Optimierung der Gesundheit.
In ihrem Fachbuch „Vegan vs. BARF“ untersucht sie die vegane Hundeernährung sachlich und stellt sie undogmatisch als eine mögliche Alternative zu gängigen Ernährungsformen vor. Zudem informiert sie über die gesundheitlichen Vorteile dieser Fütterungsform und gibt Einblicke in sinnvoll gestaltete vegane Rationspläne.

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Autor*in

Andrea Kleist

Vegane Ernährungsberaterin für Hunde

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